Von Houben zu Hänsel-Hohenhausen - Notiz zur neueren Skandalgeschichte der "Weimarer Goethe-Gesellschaft"

(Dr. Canteloube von Trattner, HdL) Schon im 19. Jahrhundert gab es Überlegungen, neben der Weimarer Goethe-Gesellschaft auch in Frankfurt eine dem Dichter gewidmete Vereinigung zu etablieren. Das Geburtshaus Johann Wolfgang Goethes wurde in der Folge Sitz des sogenannten Freien Deutschen Hochstifts, das einen breiteren bildungsbürgerlich-kulturellen Zweck verfolgen sollte.

Der Gedanke, dass es nun auch noch zusätzlich zum „Hochstift“ eine „Goethe-Gesellschaft“ in Frankfurt geben sollte, blieb immer lebendig. Nicht weil das sog. Freie Deutsche Hochstift nicht hätte leisten können, was sich die sich mehrenden „Goethe-Gesellschaften“ als Zweck auferlegten, sondern weil sich der Begriff der „Goethe-Gesellschaft“ mit einer besonderen, eigentümlich idealen Vorstellung anzureichern begonnen hatte. Wer die Sitzungsberichte der Gesellschaften und insbesondere der Weimarer Hauptveranstaltung liest und die Quellen zur Vereinsgeschichte studiert, spürt, dass es hier nicht allein um ein Dichterwerk ging, sondern um wirklich Großes, so als ob die „Goethe-Gesellschaft“ für die Deutschen der Ort kultureller Rückversicherung sei. Als ein Ort sicher geglaubter Identität bildete sich die „Goethe-Gesellschaft“ heraus, an dem man sich geradezu in Goethes Gesellschaft fühlen zu können meinte. Die Idee der „Goethe-Gesellschaft“ lud sich dadurch mit einer Art bildungsbürgerlicher Transzendenz auf, die erklärt, warum es sich beim Weimarer Verein heute um „die“ Goethe-Gesellschaft handelt, ohne deren Sanctus keine den Dichter verehrende Gesellschaft gegründet werden darf. Kann aber die dem Dichter eigene geistige Vielfalt in Freiheit durch eine alles regulierende Institution verwaltet werden?

Die Geschichte der „Goethe-Gesellschaften“, die satzungsgemäß Filialen „der“ Goethe-Gesellschaft in Weimar sind, entwickelte signifikante Züge einer religiösen Vereinigung, in der das Dichterwerk der Altar für das Unverfügbare der Nation wurde. Die DDR hatte dies konsequent mit den in Weimar errichteten „Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten“ zum Ausdruck gebracht. Vor dem Hintergrund der nationalen Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert, wenn man also die Einigung des Zersplitterten und dann Geteilten, die sich vor allem in der gemeinsamen Sprache und Kultur garantiert wusste, bedenkt, wird das bis heute immer neu reflektierte Einkasteln des Dichters in eine – für eine Literaturvereinigung überraschend autoritäre – Institution verständlich. Unabhängige Gelehrte wie der im Vorwort erwähnte Universitätsprofessor Heinrich Hubert Houben, dem Vereinsmeierei einfach unsympathisch war und seinen Forschungsinteressen als hinderlich, um nicht zu sagen als ganz und gar „ungoethisch“, erschien, stießen immer wieder bei den Vorständen „der Goethe-Gesellschaft“ an. Die Hierarchen verweigerten dem selbstbewussten Hochschullehrer unter Vorwänden den Zutritt zu Dokumenten, die dieser für seine epochalen Goethe-Forschungen erbeten hatte, so wie sich bestellte Verwalter zu allen Zeiten, der Logik ihrer eigenen Biographie verpflichtet, den Besitz anmaßten und Huldigung und Teilnahme an jenem Heiligen ihrem Gutdünken und Machtstreben unterwarfen. Was der Dichter selbst von dem Vereinsgewese um seine Person halten würde?

Als der Poet Schmidt-Macon in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts in der Mitgliederversammlung des sog. Freien Deutschen Hochstifts darauf drang, dem „Hochstift“ die Bezeichnung „Goethe-Gesellschaft Frankfurt“ beizulegen, wurde er nicht ernstgenommen. Man fand die hochtrabende, von Anfang an und bis heute ziemlich unverständliche Bezeichnung als „Hochstift“ immer noch zutreffend und auch die Idee der „Goethe-Gesellschaft“ wohlumfassend. Es kann dabei kaum als Zufall gelten, dass gerade für die am Geburtshaus des Dichters ansässige Vereinigung ein mit großer kirchlicher Geschichte befrachteter Begriff als so passend befunden wurde, dass sogar die eigentlich näher liegende Bezeichnung „Goethe-Gesellschaft“ ganz verdrängt wurde. In den deutschen Hochstiften wurde bekanntlich an der Verwirklichung von Gottes Reich in bestimmten Reichsterritorien gearbeitet. Im Geburtshaus Goethes, dem „Hochstift“, sollte es also, ganz ausdrücklich, um etwas Vergleichbares, Religiöses gehen, wenn man es ironisch ausdrücken wollte: um die Verwirklichung von Goethes Reich. Wenn das Weimarer Kapitel an vielen Orten der Welt seine Altäre errichtete, dann gebot es die Erfurcht vor etwas Allerheiligstem, in Frankfurt, am Geburtsort des Dichters, nicht ebenfalls eine simple Filiale zu errichten. Der genius loci bedurfte eines „Hochstifts“ und nicht einer „Goethe-Gesellschaft“. Bis 1997 gab es daher keine nur dem Dichter gewidmete Vereinigung.

Der Herausgeber des Buches "Im Namen Goethes", das ein Kapitel in der neueren Geschichte der Weimarer Goethe-Gesellschaft, Dr. phil. Markus von Hänsel-Hohenhausen, der Verleger der Frankfurter Verlagsgruppe Holding, war 1990 für seine kirchenhistorische Arbeit mit „höchstem Lob“ und Universitätspreisgeld von der Goethe-Universität in Frankfurt entlassen worden und etablierte nun eine unabhängige Fortbildungseinrichtung für die Buchautoren der ebenfalls von ihm gegründeten Buchverlage im Großen Hirschgraben, also in direkter Nachbarschaft zum Goethe-Haus. Für die alsbald staatlich anerkannte Studienmöglichkeit wählte er mit Respekt für den Ort und mit Zustimmung der Behörden die vakante Bezeichnung „Goethe-Gesellschaft Frankfurt mbH“. Denn, so sagte er später, nach dem öffentlich geführten Angriff der Weimarer Gesellschaft, in einem Beitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, das „Hochstift“ lasse es offensichtlich beim Verzehr von Steuergeldern und mit hilflosen Gesangsabenden bewenden, so dass durchaus noch Platz im Großen Hirschgraben sei für neue, auf die gegenwärtige Literatur innovativ wirkende Impulse. Ein Jahr darauf erschien dann bereits das erwähnte Buch als kreative Huldigung für den Dichter an der sich die Großen der deutschsprachigen Literatur beteiligten. Während die meisten damals erschienenen Jubiläumsarbeiten sich in Historienerzählung und in „Hier schlief Goethe nicht“-Detailversessenheit verloren, darf das von Hänsel-Hohenhausen herausgegebene Buch in der Rückschau als gewichtigste Publikation zum Goethe-Jubiläum des Jahres 1998 gelten.

Um so erboster waren die Oberen der Weimarer „Goethe-Gesellschaft“. Professor Keller, der zu dieser Zeit infulierte Oberpriester „der“ Goethe-Gesellschaft, bezichtigte die in Frankfurt eingerichtete unabhängige Goethe-Gesellschaft, auf deren Firma sie selbst, gewissermaßen vertreten durch das „Hochstift“, stets dankend verzichtet hatte, der Scharlatanerie. Keller attackierte auch den renommierten Soziologen Iring Fetscher dafür, dass er das Buch der Frankfurter Gesellschaft Presse und Öffentlichkeit vorgestellt hatte. Zunächst unverständliche Angriffe auf eine auf offensichtlich provozierend hohem Niveau Inhalte generierende Einrichtung. Wer indessen den halbkirchlichen Habitus „der Goethe-Gesellschaft“ bedenkt und sich überhaupt auf die Psychologie von Glaubensgemeinschaften versteht, erkennt, dass das wohlmeinende Engagement des Buchverlegers zu Gunsten der Buchautoren unter der Patronage Goethes von den Vertretern des Alleinanspruchs in Weimar als Spiegel der eigenen Selbstgefälligkeit und professoralen Schläfrigkeit verstanden werden musste. Es wurden auch die wirklichen Befürchtungen laut, allerdings nur hinter vorgehaltener Hand, dass die Frankfurter Revolution mit der ihr eigenen Dynamik und den Dr. von Hänsel-Hohenhausen zur Verfügung stehenden Mitteln der Frankfurter Verlagsgruppe im großen Stil Spenden erwirken könnte, die dem Tempel in Weimar abhanden kommen könnten.

Die Sorge um das schnöde, bare Geld war es dann vor allem, die die Weimaraner Gralspriester schließlich dazu motivierte, der Frankfurter Goethe-Gesellschaft, wohlunterstützt durch die Deutsche Bank, den Prozess zu machen. Man glaubte in Weimar schließlich sogar, nicht nur den Namen des Dichters rechtmäßig zu führen, sondern verstieg sich dazu, das exklusive Recht am Namen Goethes besitzen zu wollen, ein Recht, das vor von Hänsel-Hohenhausen schon andere angetastet hatten und den Unwillen der Weimarer zu spüren bekommen hatten. Ambitionierte Vereinigungen mit anspruchsvollen Programmen wie die Wiesbadener Goethe-Gesellschaft konnten lange Jahre nur im von Weimar aus verbreiteten Zwielicht existieren und wurden von der Vereinsgeschichte bislang meist als illegale Seitentriebe ignoriert. Der Streit mit der Goethe-Gesellschaft Frankfurt/M. mbH hatte dagegen einen Widerhall in der Öffentlichkeit, die von beinahe allen Medien mit Informationen versorgt wurde. Das Gesellschaftsblatt „Die Bunte“, deren Leser mutmaßlich noch nie vom Weben eines Dichtervereins in Weimar gehört hatten, titelte mit Aplomb: „Der Kampf der Goethe-Gesellschaften“. Das von Weimar aus nach Kräften angestachelte Kesseltreiben gegen die neue Frankfurter Fortbildungseinrichtung würzte der Hessische Rundfunk mit einem Bericht voller falscher, ehrabschneidender Behauptungen über die Goethe-Gesellschaft Frankfurt mbH, die sogar die weitgesteckten Grenzen der Pressefreiheit überschritten und durch das Oberlandesgericht in Frankfurt rechtskräftig als Verleumdung verboten wurden.

Die Weimarer „Goethe-Gesellschaft“, ebenfalls am Frankfurter Landgericht agierend und von einer internationalen Großkanzlei (mit guten Kontakten zur Deutschen Bank) beraten, stimmte schließlich zähneknirschend zu, dass die sich auch der Förderung des Frauenanteils unter den Schriftstellern widmende Autorenakademie des Verlegers von Hänsel-Hohenhausen künftig als „Cornelia Goethe Akademie“ und ein dazu eingerichteter eigenständiger Buchverlag als „Brentano-Gesellschaft“ auftreten durften. Alle etwaigen Markeninhaber, das „Hochstift“ als Herausgeberin der Brentano-Gesamtausgabe, der Kohlkammer-Verlag als Verlag dieser Edition, und natürlich die „Goethe-Gesellschaft in Weimar“ räumten dem Verleger das unbefristete Recht der Markennutzung – eine juristische Unterlizenz – auch deshalb ein, weil die die Kläger beratenden Anwälte den Professoren in Weimar und in Frankfurt allmählich klarzumachen wussten, dass sie das Recht am Namen Johann Wolfgang Goethes eben nicht besäßen und nicht verhindern könnten, dass auch andere ihm ihre Arbeit widmeten. Später stellte sich dann auch noch heraus, dass im Zuge der Europäisierung des Patentrechts die Namen historischer Persönlichkeiten nicht mehr ohne weiteres als eintragungs- und schutzfähig gelten würden.

Hinter der Bugwelle des Landgerichtsverfahrens waren freudig die Wettbewerber der Frankfurter Verlagsgruppe gesegelt, die den Prozess durch gezielte Falschinformation (die Frankfurter Verlagsgruppe nutze die Akademie und den Namen des Weimaraner Dichterclubs, um Autoren für sich zu gewinnen) schon vor Erscheinen des erwähnten Jubiläumsbandes in Gang gebracht hatten. Die Beilegung des Konfliktes sah vor zu veröffentlichen, dass die Frankfurter Autorenakademie nun nicht mehr den Namen Johann Wolfgang Goethes, sondern, wie erwähnt, den Namen Cornelia Goethes trage, also den Namen der Schwester des Dichters und dass die Kläger, also die Weimarer Goetheaner, die – für eine auf Mitgliedsbeiträge und auf Spender angewiesene gemeinnützige Vereinigung zu verantwortende – hohe Summe von etwa 20.000 DM für Verfahrenskosten zu tragen haben.

Der Verleger der Frankfurter Verlagsgruppe ging also mit der Gestattung des Goethe-Tempels zu Weimar und mit Mitteln der Anpassung unerreichbaren Markenlizenzen strahlend aus dem Streit hervor. Zu verdanken hatte er dies allerdings auch einem Frankfurter Kleinverlag, der voll Eifers selbst auch gegen die Verwendung der Bezeichnung „Goethe-Gesellschaft Frankfurt mbH“ geklagt hatte, um der erkennbar die Marktführerschaft anstrebenden Frankfurter Verlagsgruppe den Weg an die Spitze der Branche der Dienstleisterverlage zu erschweren. Aus blindem Übereifer hatte dieser Kleinverlag das gerichtliche Eilverfahren gewählt und war an den Weimaraner Tempelrittern vorbei, die gerade erst vor dem Landgericht die Lanzen zum Stoß senkten, schon beim Frankfurter Oberlandesgericht vorstellig geworden. Dort erfuhr von Hänsel-Hohenhausen, dass der Vorsitzende Richter Dembowski, selbst voller Muße und möglicherweise sogar selbst Mitglied „der“ Goethe-Gesellschaft, trotz aller markenrechtlichen Erwägungen, die die Behörden der Neueintragung hatten zustimmen lassen, dem neuen Frankfurter Schößling nicht zugeneigt war. Spätestens wenn also auch die Weimaraner Dichterapotheoten dort im normalen Prozessgang anlangen würden, wäre das Schicksal der jungen Autorenakademie besiegelt gewesen. Hiervon hatte man aber in Weimar, wo man das prekäre Erscheinungsbild einer prozessierenden Dichtervereinigung zu empfinden begann, keine Kenntnis. Man ließ sich auf die Einigung ein, die der Verleger, vertreten durch den Justitiar der Frankfurter Verlagsgruppe, Franz Frank, nun plötzlich anbot und gab unbefristete und kostenfreie Lizenzen für Goethe-Marken. Hänsel-Hohenhausen weiß noch heute der Verlagskollegin dank, die mit der Anschwärzung des Verlegers in Weimar zwar bereits im Trüben gefischt, es aber nicht dabei belassen, sondern ungeschickterweise für ihn beim Oberlandesgericht ihre Fischernetze ausgeworfen und ihm damit erst die endgültige Etablierung der Cornelia Goethe Akademie ermöglicht hatte.

Die Bedrohung, die von der erschreckend aktiven Frankfurter Gesellschaft für die bestallten und ihrer jeweiligen Pensionierung entgegenarbeitenden Goethe-Diener auszugehen schien (Professor Keller wurde nach seinem im Fernsehen ausgestrahlten Zornesausbruch über die Frankfurter Konkurrenz in den Ruhestand verabsentiert, Professor Perels, der Chef des „Hochstifts“, blieb noch ein kleines Weilchen im Amt, der Weimarer Nachfolgepräsident Jochen Golz musste nur eine kostenpflichtige Unterlassungserklärung darüber abgeben, den Verleger von Hänsel-Hohenhausen nicht mehr durch Verbreitung falscher Angaben zu schädigen), sollte noch zusätzlich dadurch gebannt werden, dass die Frankfurter Goethe-Autorenakademie Mitglied des Hochstifts und der Weimarer Gesellschaft wurde. Seither wissen sich die Autoren, die die Zusammenarbeit mit der Frankfurter Verlagsgruppe wählen, den heiligen Stätten der Goethe-Verehrung in Goethe Akademie, „Hochstift“ und Weimarer „Goethe-Gesellschaft“ besonders nahe.

Mit dieser (Ver-)Einigung hätte sich ein weiteres, turbulentes Kapitel in der Geschichte „der Goethe-Gesellschaft“ schließen können, wenn nicht das Dasein der mit einem staatlich anerkannten Literaturfernstudium ausgezeichneten Cornelia Goethe Akademie, das jedes Jahr 100 Buchautoren abschließen, des Cornelia Goethe Akademieverlags und des davon unabhängigen, mit fast 400 Publikationen im Jahr bedeutenden August von Goethe Literaturverlags (Frankfurter Verlagsgruppe) dem Nachwuchs in den Vorständen der Goethe-Stätten immer wieder sauer aufstieße, die ja, um ihre von Bund und Deutscher Bank gestifteten Pfründenstühle zu erhalten, über besondere, in der Öffentlichkeit oftmals beklagte Fähigkeiten im Networking verfügen und jede Abweichung von der hierarchischen Vettern-Ordnung als Bedrohung ihrerselbst empfinden müssen. So konnte die neue Direktorin des „Hochstifts“ (das übrigens bis heute auf die Bezeichnung einer Frankfurter Goethe-Gesellschaft dankend verzichten zu können glaubt), Anne Bohnenkamp, es auch nach vielen Jahren einer stillen Nachbarschaft nicht unterdrücken, an den jetzt als Privatier auf den Besitzungen der Familie in Schottland und in Holland lebenden Altverleger des August von Goethe Literaturverlages, Markus von Hänsel-Hohenhausen, einen Brief zu schreiben und aus heiterem Himmel ihr Missfallen auszudrücken. Sie wüssten doch beide, attackierte sie ihn, dass sie und er „nicht wirklich am selben Gegenstand arbeiteten“, darauf anspielend, dass Akademie und Buchverlage ihr Dasein selbst erwirtschaften, also mit ihrer Arbeit Geld verdienen müssen, während die Direktorin es ihrerseits als Arbeit versteht, die von Unternehmern wie von Hänsel-Hohenhausen erwirtschafteten Steuern mit vollen Händen für elegische Abende mit Gedichtrezitationen auszugeben. Schon Thomas Mann hatte die „Schamlosigkeit der selbstempfindlich-reizbar gewordenen Materie“ als Urprinzip des Lebens festgestellt. Es ist eine „wollüstig-verstohlene Unsauberkeit von Nährsaugen und Ausscheidung, ein exkretorischer Atemhauch von Kohlensäure und üblen Stoffen verborgener Herkunft“.

Ob nun nur die Kellers und Bohnenkamps es sind, die an der Kraft der anderen saugen und sich damit auch noch großtun, mag bezweifelt werden, wenn man weiß, dass schon Goethe selbst die Verauktionierung seiner noch uneingesehenen Manuskripte erfand, um die Verlage blind bieten zu lassen und bis aufs Hemd auszuziehen. Cotta zahlte schließlich nach allen Veröffentlichungen nochmals für die Gesamtausgabe ein großes Vermögen an den Dichter-Unternehmer (etwa 80 (!) Jahresgehälter eines preußischen Regierungsrats), von dem der Stuttgarter Verleger sehr wohl wusste, dass es niemals durch Buchverkauf wiedereinzuspielen war. Goethe litt, bekanntlich, lebenslang an der Furcht zu verarmen – vom Frankfurter privilegierten Patriziersohn bis hin zum herzoglichen Minister mit üppiger Pfründe. Also, Pardon für alle Kellers, Bohnenkamps und alle übrigen Kleinpfründner und ihren dann erklärlichen Hochmut!

Alle diese Fragen müssen letztlich aber den Historikern überlassen bleiben, die ohne Zweifel die Geschichte eines recht besonderen Vereins fortschreiben werden, jetzt in Kenntnis eines neuen illustren Kapitels über das Straucheln der Vorstände in einem spektakulären Gerichtsprozess, der mit der – aus der Sicht des Vereins – nicht notwendigen Etablierung der Frankfurter Goethe Akademie des Dr. von Hänsel-Hohenhausen endete. Im Pelzbesatz des Mantels des historischen Alleinvertretungsanspruchs der Weimarer „Goethe-Gesellschaft“ sitzt – nochmals die Sicht der Vereinsführer – seither eine Laus, die nun bald zum eintausendsten Male ihr begehrtes Schriftstellerzertifikat verleiht und die sich in der staatlichen Anerkennung ihrer Literaturfortbildung sonnt. Je nach Perspektive ist es ein weiteres Kapitel des unverständig-eitlen Herumkramens der Vereinsmeier, von Werner Keller zu Anne Bohnenkamp gewissermaßen, oder ein neuer Abschnitt in der aufrührerischen Geschichte des freien privaten und unternehmerischen Engagements für Johann Wolfgang Goethe und sein Werk, wofür die Jubiläumsausgabe "Im Namen Goethes" ein Prüfstein ist – dann also von Houben zu Hänsel-Hohenhausen.

 

Foto: Willkommen beim Deutschen Literaturfernsehen, Autorin Ilse Pohl spricht.
Grafik: August von Goethe Verlag fördert Deutsches Literaturfernsehen
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